Pirizal-Pozo Colorado

Einsatz in Paraguay

Mai 2015

Schon einige Zeit davor hatte ich mich vorbereitet: Spanischvokabeln noch einmal

durchgenommen, die Konjugation der Verben noch einmal angeschaut.

Am 3. Mai abends ging es dann von München los. Anne, die zahnmedizinische Assistentin,

war von Bremen auch nach München gekommen. Ganz schön weit. Meine Familie hat mich

von Erlangen nach München begleitet. Und dann sind wir auch schon Richtung Asuncion

losgeflogen mit einem Zwischenstopp in São Paolo.

Nach drei Tagen in Asuncion sind wir dann von Martin, dem Fahrer des katholischen Vikariato, vom Hotel

abgeholt worden. So hat die Fahrt in den Chaco begonnen.

 Irgendwann stand dann auf einem Schild: „El fin de asfalto.“ Die Straße sah immer so unendlich aus und die Sträucher und Bäume kamen mir alle so verstaubt vor. Trotz des Staubs ist mir gleich ein sonderbarer

Baum aufgefallen: der Flaschenbaum. Es gab auch ganz besondere Exemplare mit drei- oder

viergeteilten Stämmen.

Nach ca. sieben Stunden Fahrt sind wir dann in Pirizal angekommen, einem Internat mit ca.

45 Kindern, vier Schwestern (Hermanas) und die Lehrer. Von den Schwestern wurden wir sehr

herzlich aufgenommen. Pancho, der sprechende Papagei, hat uns auch begrüßt.

 

 Nachdem wir am nächsten Vormittag alles installiert hatten, konnte es am Nachmittag mit der Behandlung losgehen.

 

Von Asuncion hatten wir ein zahnärztliches Unit mit Turbine und Winkelstück, von Hans-Lothar  "Der Bohrturm" getauft, mitgebracht. Hat auch alles funktioniert. Es war auch ein montierbarer Behandlungsstuhl mit Kopfstütze dabei, Instrumente, Zangen, Hebel, Füllungsmaterial und was man eben so braucht, um ein paar Wochen im Chaco zu behandeln.

Zur Sicht hatten wir Stirnlampen und die Schwestern haben uns eine starke Lampe gegeben,

die ein Junge dann an der Decke angebracht hat. Die Schwestern kümmerten sich um die

Patienten; sie brachten Kinder immer gruppenweise zur Behandlung. Es kamen dann auch Eltern von Kindern, die in der Nähe wohnten. Die meisten Kinder waren sehr tapfer, aber es gab auch einige, die große Angst hatten.

Von Pirizal aus waren wir dann auch bei den Indianerstämmen, da konnte man nur Extraktionen

machen. Aber diese Menschen hatten nichts anderes erwartet. Sie kannten auch gar keine andere Behandlung.

Danach war im Internat ein Fest zu Ehren der Unabhängigkeit (Dia de la Independencia) und gleichzeitig  Muttertag (Dia de la Madre). Die Kinder waren gut vorbereitet, die Schwestern und die Lehrer hatten ein kleines Programm zusammengestellt.

Da wurde gesungen und getanzt. Sie hatten davor viel geprobt. Das Internat versorgt sich

selbst, sie haben Tiere und einen Gemüsegarten. Die Schwestern leisten sehr viel und die

Kinder helfen mit.

Das zweite Internat San Isidro in Pozo Colorado ist viel größer, da sind ca. 300 Kinder. Hier kümmern sich auch

Schwestern und Mönche um die Kinder. Auf der Fahrt nach Pozo Colorado (zwei Schwestern und ein

Fahrer haben uns begleitet) sind wir in der Colonia Neuland stehen geblieben und haben

einen Abstecher nach Filadelfia gemacht. Dort leben die Mennoniten und man spricht in den

Geschäften deutsch. Es war für mich im Chaco  eine andere Welt.

Also im zweiten Internat angekommen, wurden wir auch ganz herzlich empfangen. Das

Gelände hier ist viel größer als in Pirizal. Da sind sehr viele kleine Kinder ab sechs Jahren.

Viele von ihnen wohnen Hunderte Kilometer entfernt und können nur in den Sommerferien nach

Hause. Hier, genauso wie in Pirizal, ist bewundernswert, was die Schwestern und die Mönche leisten. Bischof

Monsenior Lucio Alfert meinte, wenn die Internate staatlich wären, bräuchten sie  mehr

Arbeitskräfte. Die Internate wären dann teurer und viele Eltern könnten dieses nicht mehr

bezahlen.


Was die Behandlungen betrifft: Insgesamt haben wir ca. 300 Kinder und Erwachsene behandelt, davon

waren ca. 200 Extraktionen oder sogar mehr. Füllungen konnte man auch legen, und die

Kinder waren auch begeistert, hauptsächlich von den Frontzahnfüllungen. Nachdem man die

Frontzähne wieder aufgebaut hatte, waren die Kinder sehr glücklich. Was mich am meisten

belastet hat, es mussten so viele 6-Jahr-Molaren und auch 12-Jahr-Molaren extrahiert

werden. Natürlich versuchte ich, die 6er oder 7er zu retten, aber wenn der Nerv offen war,

blieb nur noch die Extraktion.

Bis zum Schluss hatte ich ein Problem, den Kindern in die Augen zu schauen und Ihnen sagen

zu müssen, dass der 6er oder 7er raus muss. Da leidet ein Zahnarztherz ganz schön. Die

Kinder hatten eigentlich kein großes Problem damit. Aber die Hermana Amalia und die

Infermera Teresita haben ihnen dann alles erklärt, so dass mir die schweren Momente

erspart blieben. Hermana Amalia hat dann die Schuld auf die „Santa Apollonia“ geschoben,

die angeblich nicht genug auf die Zähne der Kinder aufgepasst hat.

Die letzten Tage hatte es dann ziemlich viel geregnet, ich denke das Internat ist vor einer

Überschwemmung gerade noch so hergekommen. Das Wasser stand auf dem Gelände,

man konnte nur auf den schmalen Gehwegen von einem Häuschen zum anderen gehen oder

nur zum Schwesternhaus kommen.

Als es dann soweit war, hat uns Hermano Pablo nach Asuncion gefahren. Bevor wir den

Asfalt erreicht haben, gab es fast einen Unfall. Das Auto ist von der Straße abgerutscht.

Hermano Pablo war ganz ruhig, hat im Internat angerufen und dann ist ein Handwerker mit

einem Traktor gekommen (der repariert im Internat immer alles) und hat uns einfach

herausgezogen.

Wieder in Asuncion angekommen, hatten Anne und ich jede für sich ein bisschen Zeit, das

Land anzuschauen. Zuerst um Asuncion herum, dann die Wasserfälle von Iguazu; dieses

gewaltige Naturschauspiel hat mich sehr beeindruckt.

Anfang Juni ging es dann wieder nach Deutschland zurück, diesmal mit zwei Stopps, in São

Paolo und in Mailand. Anne, meine gewesene Assistentin, ist noch für zwei Wochen nach

Argentinien gereist.

Der Einsatz im Chaco war ein besonderes Erlebnis, die Arbeit war interessant, die Patienten

ebenso. Und auch privat war es sehr lehrreich.

 

Ich kann nur sagen, man konnte mit sehr netten Leuten sprechen und hat von jedem etwas

über das Land gehört und gelernt. Angefangen von den Taxifahrern bis zu Hotelangestellten,

von den Schwestern bis zum Bischoff. Alle haben uns wertvolle Informationen über ihr Land

gegeben.

 

 

Christine Waninger