Chaco November 2013

 

Irgendwie klappt es dann doch!

 

Bei meinem diesjährigen Chaco-Einsatz im November werde ich von Anfang an das Gefühl nicht los, dass mir irgendjemand ständig Knüppel(chen) zwischen die Beine wirft. Das fängt schon damit an, dass Karin wegen gesundheitlicher Probleme nicht mitkommen kann. Also frage ich bei Zahnarzt-Kollegen, die sich schon einmal interessiert gezeigt hatten, und über dentists&friends an, ob mich jemand begleiten will: Eine gute Möglichkeit auch für Kollegen, die nicht so des Spanischen mächtig sind. Da sich niemand meldet, frage ich meinen Freund Johannes, ob er mitkommen will. Und er schlägt ein: Eine gute Wahl, ein gutes Team, wie sich zeigen wird. Johannes ist zwar Elektroingenieur, aber dann muss ich ihn eben als Zahnarzthelfer anlernen. Wegen der späten Entscheidung laufen uns allerdings die Flugpreise weg (über Sao Paulo ab 1200,-€). Aber irgendwie klappt`s dann doch! Eigentlich wollte ich ja nicht über Ami-Land fliegen wegen der behördlichen Schikanen selbst im Transit, aber der Flugpreis von 750€ via Miami gibt dann doch den  Ausschlag. (Im Nachhinein  muss ich sagen, dass man sich natürlich über die Notwendigkeit der Datenerfassung eines jeden Passagiers streiten kann, dass aber die Abwicklung sehr höflich und routiniert, keinesfalls, wie häufig berichtet, schikanös  erfolgte.) Wahrscheinlich will keiner mehr über Ami-Land fliegen! Denn der Flieger von Miami nach Asuncion ist dann so leer, dass jeder Passagier die ganze Dreierreihe für sich hat. Ausgeschlafen (6 von 8  Stunden) erreichen wir trotz eines 35 Stundenreisemarathons die paraguayische Hauptstadt. Die 30C Temperatur um 9:oo Uhr Morgens sind gewöhnungsbedürftig.

Im Hotel lernen wir einen deutschen Zahntechnikermeister kennen, der sehr an unserem Projekt interessiert ist und zu einem anderen Zeitpunkt gern mitarbeiten möchte! Eine neue Variante tut sich für die Zukunft auf: Zahnersatz vor Ort!

 

Die nächsten Tage versprechen Stress!

Im Vikariat (VAP) sind unsere gesamten Materialien, Geräte und Instrumente zentral eingelagert. Hinzugekommen sind einige Kartons aus einer Containerbeiladung, die vor  2 Monaten eingetroffen ist. Alles muss durchgecheckt und Bedarfslisten erstellt werden. Leider muss ich feststellen, dass unsere Polymerisationslampe - deren gebündeltes Halogenlicht den Füllungskunststoff härtet -  fehlt! Wenn unser tragbares Zahnarzt-Unit ("Der Bohrturm") das Herz des Projekts ist, dann ist die Lampe vielleicht so etwas wie die Lunge, also essentiell! Auch in der Containerbeiladung ist eine erwartete Ersatzlampe nicht dabei! Am nächsten Tag besuchen wir noch extra die Leute, die den Container ausgepackt haben. Die fühlen sich etwas angekratzt, zumal sie ohnehin gerade in eine Unterschlagungs- und Korruptionsaffäre verstrickt sind. Bringt aber nichts. Na dann werden wir wohl wieder wie in alten Zeiten mit 2-Komponenten-Füllungskunststoff arbeiten müssen! Während des Tages, als wir Materialien in unserem angestammten Dental-Depot einkaufen, erreicht mich die Nachricht, dass in Mariscal Estigarribia (unserem Hauptstützpunkt) noch einer unserer Kartons entdeckt wurde. Über Nacht soll dieser zur Überprüfung mit dem Fernbus nach Asuncion geschickt werden (550 Km).

Am nächsten Morgen steht ein klappriger Pick-Up vor unserem Hotel, um uns nach Pozo Colorado zu unserer ersten Station, dem Internat San Isidro zu bringen. Auf der Ladefläche ist auch der über Nacht angekarrte Karton aus ME. Und siehe da: Drinnen ist unsere Poly-Lampe! Irgendwie klappt`s halt doch!  Dann geht es auch gleich los auf die 250 Km lange Asfaltstrecke. Johannes, ich und der Fahrer Martin zwängen uns ins Fahrerhaus, während Ramon auf der Ladefläche inmitten unserer auf 8 zum Teil mächtige Kartons angeschwollenen  Ausrüstung thront.

Kurz vor Pozo gebe ich an der Raststätte Pirahù ("Schwarzer Fisch") traditionsgemäß einen Kaffee aus. Hier steht nämlich die letzte Espressomaschine bevor wir in den Gran Chaco Paraguayo abtauchen. Es wird für die nächsten Wochen der letzte vernünftige Kaffee sein!

 In San Isidro ist einiges los. Viele Eltern sind gekommen, um ihre Kinder für die großen Ferien (3 1/2 Monate) abzuholen.  Es sind bereits viele (Übernachtungs- ) Zelte aufgebaut, einige Macateros (fahrende Händler) bieten ihre Ware feil: Es herrscht Volksfeststimmung. Johannes und ich erhalten ein einfaches, aber sauberes Zimmer. Die Essensversorgung ist dann doch so einfach, wie ich sie von meinen bisherigen Reisen nicht kannte: Reis mit etwas Mais und vereinzelt Fleischstückchen darin, mittags und abends. Nun, so essen die armen Leute im Chaco. Hier in San Isidro sind wir nicht DER Besuch, sondern zwei Besucher unter vielen. Als am übernächsten Tag Bischof Lucio Alfert, ein Deutscher, eintrifft und genauso selbstverständlich mit uns den "Standard" isst, haben wir uns auch schon daran gewöhnt. Auch andere Paì  ("Pater" auf Guarani, der Sprache auf dem Lande) treffen ein: Für mich immer ein großes "Hallo", da ich nach all den Jahren fast jeden persönlich kenne.

Die Krankenschwester-Nonne Raquel teilt ihr Behandlungszimmer mit uns. Hier können wir erstmalig unseren neuen zerlegbaren Behandlungsstuhl aus Bundeswehrbeständen nutzen. Wahrhaft ein Riesenfortschritt! Vielen Dank an dentists&friends, die ihn uns überlassen haben. Dann noch 2 positive Überraschungen: In einem großen Karton voller Zahnbürsten entdeckt Johannes noch die Ersatzpolymerisationslampe aus der Containerbeiladung! Zum zweiten sehe ich bei den Reihenuntersuchungen der Internatskinder ganz tolle kariesfreie Gebisse! Das Lehrpersonal, Lehrerinnen wie Schwestern, haben Hervorragendes geleistet! Dafür überlasse ich ihnen auch zahlreiche Zahnbürsten und Zahnpasta, denn sie wissen genau, wer es nötig hat. Es hat sich nämlich gezeigt, dass nach dem Verteilen einer Zahnbürste plötzlich alle ihre Zahnbürste gerade eben verloren haben und nun eine neue von uns brauchen.

Abends findet ein bunter Abend statt, an dem die stolzen Eltern ihre Sprösslinge bei diversen Aufführungen bewundern können. Wir nehmen am nächsten Morgen teil an einem großen Gottesdienst mit einer Erwachsenen-Taufe, einigen Erstkommunionen und Firmungen. Es ist für uns fremd und zugleich interessant. In den nächsten Wochen werden uns diese Festivitäten begleiten genauso wie die Verabschiedungen der Schüler in die Ferien. Das bedeutet, dass wir ungewöhnlich wenige Kinder dieses Jahr behandeln werden.  

 Als dann nach der Messe Regen einsetzt, sind die Leute nicht mehr zu halten. Etliche wohnen draußen, weit entfernt vom Asphalt und wollen noch ihre Farm erreichen, bevor der große Regen die Pisten unbefahrbar macht. Mit Mühe verstauen wir unsere Ausrüstung im Jeep von Monsenore Lucio und fahren noch 120 Km auf Asphalt bis zum Örtchen 25-Leguas beim kirchlichen Radiosender Paì Pucù. Abends sitzen wir mit Bischof Lucio beim Bierchen zusammen und lauschen alten und neuen Geschichten über die Missionierung des Chaco. Johannes ist begeistert, dass unsere Gastgeber alle so ganz normal und zum Anfassen sind und wir schnell integriert werden.

          Für alle zahnärztlichen Notfälle haben wir immer ein Extraktionsbesteck bereit liegen, welches dann auch kurzfristig im Frühstücksraum zum Einsatz kommt. Am Nachmittag -es ist Sonntag, da ist Ruhetag-  werden wir von Padre Vicente, einem ordinierten Guarani abgeholt.(Die Guarani sind nach den Nivaclè  der zweitgrößte Stamm im Chaco.)  Einige Verbrauchsmaterialien und Instrumente lassen wir dann in 25-Leguas als Depot zurück, bevor wir die 80 Km staubiger Piste nach Campo Aceval unter die Räder des Doppelkabinen-Geländewagens nehmen. In C.A. erleben wir die einzige echt unangenehme Situation unserer Reise. Die hygienischen Verhältnisse sind dermaßen schlimm, dass wir uns höflich aber bestimmt weigern, hier zu arbeiten oder zu schlafen. Irgendwie geht`s dann doch! Nachdem eine herbeigerufene Putzfrau sauber gemacht hat und frische Bettwäsche aufgezogen ist, sieht unsere Welt schon wieder anders aus. Offensichtlich war die Lage selbst für die Gastgeber peinlich und sie geben sich fortan Mühe, alles (im Rahmen der Chacoverhältnisse) angenehm zu gestalten. Bei 2 Bierchen zum Abendbrot rauchen wir gemeinsam die Friedenspfeife. Schließlich wird C.A. zu einem "Lieblingsort" für uns. Hier gibt es viel zu tun, die Anlage ist nett und die Patienten sind sehr freundlich und dankbar. Anderntags bemerken wir beim Behandeln, dass ein Teil der Spritzenkanülen nicht maßhaltig ist und unsere Vorräte deshalb zu knapp kalkuliert sind. Da fährt denn der Assistent von Paì Vicente eben mal mit seinem Motorrad die 80 Km Piste zurück nach 25-Leguas und holt aus unserem "Depot" weitere Kanülen. 3 Tage später sitzen wir wieder im Auto, um ein Indio-Dorf zu besuchen, welches selbst mir, dem alten Chaco-Hasen neu ist. Dort wohnen die Ärmsten der Armen und entsprechend ist die Zahnsituation. Wir behandeln unter einem Vielzweckdach: Vorne agieren wir, während hinten, wie in einem Kino, die Dörfler in Stuhlreihen sitzen und unsere Behandlungstätigkeit verfolgen. Entsprechend mache ich die Gaudi und hebe der ersten Extraktionspatientin wie nach dem Boxkampf die  Hand und fordere den Applaus. Mit dem Generator haben wir allerdings ein Problem. Mindestens 5 Mal hatte ich gefordert, Super-Benzin für den Generator zu kaufen. Immer heißt es: bei der nächsten Tankstelle! Bis wir weit draußen gar keinen Sprit mehr bekommen. Na ja, dann ist wenigstens der interne Tank voll. Denke ich, weil ich die Füllung noch in 25-Leguas kontrolliert hatte. Aber der Tank ist nun leer: "verdunstet"! Irgendwie klappt`s dann doch! Paì Vicente fährt los und kommt nach 1/2 Std. mit einer Colaflasche voll (Klingel-)Sprit wieder, sodass wir doch noch einige Füllungen legen können. Allerdings verabschiedet sich dann unsere Polymerisationslampe, nicht ohne auch noch die Ersatzreflektorbirne zu verheizen (Die Ersatzlampe aus dem Container ist leider im "Depot" in 25-Leguas!)

Am Nachmittag fahren wir noch 30 Km zur kleine Siedlung Avalos Sanchez, dem "Übergabepunkt" an die Missionare von Fischat (Fis-chat :"Der Ort des wilden Manioka"). Dort warten wir, bis mit 3 Stunden Verspätung in der Ferne das Fahrzeug der Mission auftaucht, eingehüllt in eine riesige Staubwolke, welche malerisch von der untergehenden Sonne beleuchtet wird. Wir packen unsere Ausrüstung um in das "Buschtaxi", wie in der dritten Welt der Toyota-Landcruiser J7-Station heißt. Von den Kirchenleuten wird er wegen seiner geschlossenen Bauart nur " Die Ambulanz" genannt. (Im Notfall werden 2 Matratzen in den Rückraum gelegt, worauf der "Kranke" gebettet wird. Wir haben aber auch schon mit 9 Leuten samt Gepäck und unserer Ausrüstung darin gesessen.) Der Chef der Mission ist selber mit gekommen: Padre Josè ì ("kleiner Josè"), ein waschechter Schwabe von 76 Jahren und eine Seele von Mensch! Wir fahren  langsam in die Dunkelheit hinein, sodass von der Landschaft nur anfangs etwas zu sehen ist. Fast 3 Stunden brauchen wir für die 120 Km Piste, deren letzte 40 Km zeitweilig nur im Schritttempo zu befahren sind.

Leider wurden in den letzten Jahren von den Missionen die z.T. alt gedienten Nonnen (Hermanas) abgezogen und so herrscht  schnell "Männerwirtschaft". Zum Glück gibt es in Fischat die Franziskanerin Hermana Hermelinda, die sich für die Mission aufopfert und den "Laden" zusammenhält. Sie ist für 2 Jahre vom Orden beurlaubt und muss sich danach entweder für die Mission entscheiden und gleichzeitig aus dem Franziskanerorden austreten, oder die Mission verlassen, um entsprechend des Gehorsamsgelübdes nach sonst wohin geschickt zu werden. Es zerreißt sie fast und sie ist todunglücklich. In Fischat verleben wir 5 vergleichsweise ruhige Tage. Dabei ist normalerweise viel zu tun in Fischat und dem Nachbarort Esteros. Es wird nämlich das Patronatsfest gefeiert, erstmal kirchlicherseits, dann auf Indioart. So sind die meisten potentiellen Patienten blau, schlafen aus oder haben anderes im Kopf, als zum Zahnarzt zu gehen. Wir haben zwar immer etwas zu tun, aber reißen uns kein Bein aus. Das ist angesichts 42 C im Schatten auch nicht opportun. Mehr denn je gilt hier die paraguayische Devise: Quien corre, ya perdiò! ( Wer eilt, hat schon verloren!) Bei diesen Temperaturen läufst ohnehin nicht mehr Du selber, sondern der Schweiß! Zum Duschen praktizieren wir die "Eimer-über-den-Kopf-kipp - Methode. Glücklicherweise fallen dann über Nacht die Temperaturen. Gegen 23 Uhr bläst ein frischer antarktischer Wind mit 27 C in unser Zimmer, gegen Morgen knallt die Temperatur auf 18 C runter. Wir frieren erbärmlich. Am folgenden Tag stabilisiert sich die Temperatur auf moderaten 35 C.  Nach fast einer Woche brechen wir schließlich noch in der Dunkelheit (4:oo Uhr) mit der Ambulanz auf zum Padre-Treffen in Campo Aceval auf (220Km). Vergleichsweise schnell erreichen wir nach 4 Stunden passend zum Frühstück C.A.  Johannes knallt allerdings unterwegs 3 mal mit dem Kopf unters Autodach und prellt sich die Wirbelsäule. Der Sicherheitsgurt hat hier eine ganz andere Bedeutung. Während die Padres beim Bischof Lucio ihr Seminar abhalten, behandeln wir. Es ist rappelvoll. Padre Roger hat aus 25-Leguas unser "Depot" mitgebracht und wir können unsere Vorräte aufstocken. Außerdem können wir jetzt unsere Ersatz-Polylampe einsetzen. Anderntags heißt es wieder: Einpacken und auf die Piste! Die letzten Kilometer rollen wir wieder auf dem Asphalt der Ruta Trans-Chaco (Zivilisation!) und erreichen am Nachmittag Mariscal Estigarribia, die Distrikthauptstadt. (Das hat nichts mit unserem Verständnis von "Stadt" zu tun. ME ist eher ein Dorf. Nur Kirche, Rathaus und Hospital sind größere Häuser.)  Wir wohnen beim Bischof und werden auch dort verköstigt (Kein Vergleich mit dem "Standard"-Essen am Anfang unserer Fahrt! Hier gibt es auch Köstlichkeiten wie selbst erjagten Tapir oder Leguan!)  Es ist für mich schon wie zuhause. Besonders freue ich mich, dass uns unsere "Adoptivmutter"  Schwester Maria-Angeles begrüßt, die uns bereits seit Anfang unseres Projekts "begleitet".

Anderntags fahren wir noch im Dunkeln mit dem jagenden Pater Anuncio, der immer einen geladenen alten deutschen Karabiner im Jeep neben sich liegen hat, ins Dorf Yishinachat. Das sind mal eben 4 Std. Piste oder 200 Km one-way. In Yishi nimmt der Padre einigen Indigenas die Beichte ab, übergibt ihnen einige Papiere, wir behandeln 5 Stunden, dann geht es wieder fast 4 Stunden durch den Busch zurück. Johannes fragt nach der Effektivität. Aber so denken die Kirchenleute nicht. Auch wenn es nur wenige Schäfchen zu betreuen gibt, wird um jede Seele "gekämpft". Für uns ist die Fahrt außerordentlich reizvoll und abwechslungsreich. Leider läuft dem Paì Anuncio kein Wild vor die Büchse.

Da der abgelegenste Ort Dr. Pedro P. Pena für den diesjährigen Einsatz ausgefallen ist, klappern wir nun die Dörfer rund um Mariscal ab. Bischof Lucio vertraut mir die hiesige Ambulancia an und gemeinsam mit M.-Angeles als Scout und Übersetzerin fahren wir zu Dritt los. Gleich in Macharety haben wir so viel zu tun, dass wir unsere Ausrüstung für den nächsten Tag gleich dort lassen. Das entpuppt sich fast als Eigentor. Auf dem Rückweg fängt der Motor an zu spinnen. Jedes Mal wenn ich auskuppele, stirbt der Motor, besonders unangenehm beim Abbremsen und Schalten vor großen Schlaglöchern, weil ohne Motor ja auch die Brems- sowie die Lenkhilfe ausfällt. Zu allem Unglück breche ich auch noch daheim den Autoschlüssel im Türschloss ab! Ich bin ganz fertig. Alle bedauern mich. Irgendwie klappt`s dann aber doch! Paì Anuncio kommt, sagt "Na und?", holt einen der vielen Zweitschlüssel, und für den Leerlauf gibt es beim Toyo eine Regulierschraube am Armaturenbrett!

Mir wird allerdings erst jetzt klar, wie unbedacht das Stehen lassen unserer Geräte in Macharety war!  Hätten wir den Wagen nicht mehr fahren können (einen Schlüsseldienst gibt es natürlich nicht in ME) oder wäre der in der Nacht fallende Regen stärker gewesen, wir wären möglicherweise tagelang nicht mehr an unsere Ausrüstung rangekommen!

So können wir dann doch noch in Macharety behandeln und für die nächsten Tage bleiben auf unserer Tour zu weiteren Indio-Dörfern noch einige herrliche Schlammlöcher, durch die sich unsere Ambulanz durchwühlen darf. Auf einem Dorf dann mache ich eine total neue Erfahrung:  Der Leiter eines Sanitätspostens, ein Indio, der M.-Angeles wohl bekannt ist, beide begrüßen sich formal herzlich, ist gänzlich incooperativ. Nein, er betreue die Patienten des Dorfes auch zahnmäßig, außerdem wolle sich niemand die Zähne ziehen lassen, da er dann nicht mehr richtig sprechen könne, und überhaupt sei seit Monaten niemand mehr mit Zahnschmerzen da gewesen!  Es gäbe einfach keine Patienten! Der Mann hat den Schlüssel zum Puesto de Salud (Sanitätsposten) und will nicht aufmachen.  Wir ziehen nach 15 min unverrichteter Dinge wieder ab. Ich interpretiere alles als ein Machtspiel: Hier hat ein kleiner-großer Indio es mal einem Weißen gezeigt! Oder hatte er etwas im Sanitätsposten zu verbergen? Oder er wollte einfach nur Geld!

In ME feiern wir noch den 72. Geburtstag von Bischof Lucio. Zufällig sind Fernsehleute mit dabei, die über "Adveniat" drehen. Sie interessieren sich auch für unsere Arbeit. Wir vereinbaren in Kontakt zu bleiben.

Dann ist aber auch mal Schluss mit dem diesjährigen Projekt. Nach 3 Wochen Arbeit reinigen wir Geräte und Instrumente, verfassen Bestandslisten und verpacken alles transportbereit. Die Sachen sollen zu einem späteren Zeitpunkt nach ASU gebracht und dort zentral im Vikariat eingelagert werden, damit anreisende Teams schon in der Hauptstadt die Ausrüstung inspizieren können.

     Es hat zu regnen angefangen. In der Nacht fahren wir mit dem Fernbus nach Asuncion. Die meisten der 550 Km  verschlafe ich. Johannes erzählt später, dass wir mit dem Bus Umwege über durchnässte Pisten fahren mussten. Morgens um 3:oo Uhr kommen wir in ASU an und nehmen noch eine Mütze voll Schlaf.

Denn auch hier müssen wir im Vikariat noch den zweiten Teil unserer Ausrüstung warten und einmotten. Die Zeit ist dieses Jahr sehr knapp kalkuliert. Aber irgendwie klappt dann doch noch alles!  Es gilt zunächst noch einiges Organisatorisches zu erledigen, Freunde zu treffen und nicht zuletzt mit dem Bus nach Ciudad del Este zu fahren (320 Km) als Ausgangspunkt für einen Besuch der wohl schönsten Wasserfälle der Welt: Der Cataratas de Iguazu! Ich mache die Tour durch den argentinisch-brasilianischen Nationalpark zwar schon zum 4. Mal, aber es ist wieder ein unvergleichliches Erlebnis. Niemals vorher habe ich die Fälle mit solch einer Wasserfülle gesehen. Dazu kommt noch der ausgezeichnete Besucherservice auf beiden Seiten der Fälle. Mein Freund Johannes ist begeistert! In der Nacht müssen wir schon wieder mit dem Bus zurück nach Asuncion. Es bleibt nur der Sonntag zum abchillen.  Wir begießen das Ende eines tollen Paraguayaufenthalts noch mit einem letzten Bier, bevor im Hotel die Reisetaschen gepackt werden.  Montag um 8:oo Uhr besteigen wir den Flieger nach Miami/Madrid. Die Luft ist klar und wir überfliegen den Gran Chaco de Paraguay. Unter uns zieht die Ruta Trans-Chaco als graues Asphaltband  meist schnurgerade durch die grüne Landschaft. Ca. eine 3/4 Stunde lang folgen wir ihr noch, bis sie schließlich in der Ferne unter einer Wolkendecke verschwindet.

 

ZUM PROJEKT

Jeder Einsatz ist ein kleines Abenteuer, jeder Einsatz ist anders als der vorherige. Dieses Jahr ging es über viele kleine Comunidades Indigenas, wo schon Jahre lang oder noch nie ein Zahnarzt war. Dadurch überwogen die Extraktionen. Aber auch Füllungen haben wir gelegt, z.T. mit Strom aus dem tragbaren Generator. ZE haben wir wegen der kurzen Zeit auf den einzelnen Missionen nicht anfertigen können. Prothetik mit längeren stationären Aufenthalten sei den Folgeteams vorbehalten.

Wieder bewahrheitet hat sich, dass ein Zweierteam die Idealbesetzung darstellt. Zu Zweit kann man relativ autark arbeiten und entzieht der Mission keine Arbeitskraft. Häufig steht auch nur ein Pick-Up mit 3 Sitzplätzen zum Transport zur Verfügung. Der Arzt fährt oft selber, begleitet vom Helfer und einem(r) Dolmetscher(in) / Krankenschwester. In Zukunft werde ich deshalb nur noch Zweierteams ins Projekt schicken. Zumindest eines der Teammitglieder muss vernünftig spanisch sprechen können.  Das Hauptproblem aber: Es geht z.T. SEHR eng zu. Johannes und ich haben von den 4 Wochen in Paraguay  immerhin 3 Wochen in einem (wenn auch wechselnden) Zimmer gelebt, was in unserem Fall problemlos geklappt hat. Denn bei 42C im Schatten sind die Nerven schon mal etwas dünner, zumal wenn die nächste Airconditioning 250 Km entfernt ist. Da man muss sich schon zwischenmenschlich gut verstehen.

 Auch ist eine gewisse körperliche Fitness unbedingt erforderlich. Es kann jahreszeitlich bedingt sehr  heiß und feucht werden, die Temperaturwechsel können brutal sein.

 Belohnt wird man  durch ein außergewöhnliches Erlebnis. Man ist hautnah dabei. Die Kirchenleute einschließlich des Bischofs Lucio sind zum Anfassen. Man wohnt zusammen, man isst zusammen, man reist zusammen. Man gehört zur "Familie".

 

Hier geht`s zu Johannes` Fotoschau