Julia & Katja 2011

Alles Chaco oder was?

Liebe Kollegen,  dies ist ein kurzer Bericht über unseren Arbeitseinsatz im Chaco von Paraguay. Die Möglichkeit  in seinem Beruf Menschen in den ärmsten Gegenden der Welt  helfen zu können, ist wahrscheinlich ein Traum, den viele mit uns teilen. Für uns wurde er in einem kargen und einsamen Gebiet im paraquayanischen Norden wahr.
Wir sind zwei junge Zahnärztinnen, die sich schon seit ihrer Studienzeit kennen.  Einige Zeit versuchten wir in größeren humanitären Organisationen passende Projekte ausfindig zu machen. Durch einen glücklichen Zufall sind wir auf  das Prokjekt Chaco aufmerksam geworden, welches, wie sich später herausstellen sollte, ganz unseren Vorstellungen entsprach, Hilfe für die Ärmsten zu leisten. Dieses Projekt hat Dr. Hans-Lothar Amelunxen mit viel privatem Engagement und in Zusammenarbeit mit der Katholischen Kirche in Paraguay aufgebaut. Schnell erhielten wir eine Zusage und die Reiseplanung konnte beginnen...              ....Nun ging´s auf in den Chaco, ein Gebiet, welches den ganzen Norden Paraguays einnimmt. Der Pater der Gemeinde, in der wir unseren ersten Arbeitseinsatz verbrachten, holte uns höchstpersönlich mit dem Jeep ab und wir fuhren ganze 8 Stunden in Richtung Norden, vorbei an sumpfigen Tümpeln und Palmenwäldern in die trockene  Savannenlandschaft des Chacos. Dort lebt hauptsächlich die indigene Bevölkerung in bitterer Armut. Die Menschen hausen in einfachen Holzhütten, die mit Folien oder Wellblech verstärkt sind, ohne Strom und teilweise 5 km von der nächsten Wasserquelle entfernt.
Die Kirche versucht mit ihren Mitteln den Menschen Bildung und eine grundlegende medizinische Versorgung zu ermöglichen. Die Schwestern, von denen einige eine Krankenschwesterausbildung erfahren haben, impfen Säuglinge, Kinder und Jugendliche in den umliegenden Bereichen, ziehen gelockerte Zähne und kümmern sich um erkrankte Menschen. Andere wiederum lehren die spanische Sprache und sind in der Erziehung der Kinder tätig.
Wir machten zuerst in Mariscal Estigarribia halt, eine im Zentrum vom Departamento de Boquerón gelegene Stadt von ca. 2500 Einwohnern.  
Unsere Arbeit nahmen wir in Santa Teresita auf, einer kleinen Siedlung nahe Mariscal. Uns wurde ein Raum in dem Schulgelände von Santa Teresita zugewiesen, in dem wir uns zahnärztlich-häuslich einrichteten. Schon am ersten Tag war die Patientenschlange riesig. Obwohl das Projekt die Instrumente und auch eine mobile Einheit für die Füllungstherapie bereit stellt, standen hier in erster Linie Notextraktionen an. Teilweise machten wir auch Kunststofffüllungen im Frontzahnbereich. Improvisation wurde zum A und O und doch kann man im Nachhinein behaupten, dass  wir eigentlich alles hatten, was zum Arbeiten wichtig war. Man muss sich allerdings erst einmal auf die Einfachheit der Dinge vor Ort einstellen.
Da der erste Wunsch der Patienten meist immer eine Prothese war, wollten wir auch dies ermöglichen. Das war leichter gesagt, als getan. Wir hatten nur eine begrenzte Anzahl an Abformlöffeln und Material, keine Bissschablonen und das Dentallabor befand sich 8 Autostunden entfernt in der Hauptstadt. Nachdem wir also die Patienten von ihren kariösen Zähnen und Wurzelresten befreit hatten, folgte unser gemeinsames  „Synchron-Abformen im Sauseschritt“. Wir verwandelten die Küche der Nonnen in ein kleines Dentallabor und gossen die Abdrücke unter den neugierigen Blicken von unseren liebeswerten Gastgebern aus.  Jeder Krümel Alginat bzw. Gips wurde genutzt, damit wir so viele Patienten wie nur möglich zufriedenstellen konnten. Wir beschrifteten die Modelle mit Namen, schrieben einen kurzen Brief an die Zahntechnik und schickten die sortierten Modelle mit einem Linienbus nach Asunción, wo sie von unserem Freund und Helfer Martin entgegengenommen und ins Labor gebracht worden.  Jeden weiteren Tag verbrachten wir  mit Hoffen, dass das Labor die vielen Prothesen trotz unüblicher Bedingungen in der kurzen Zeit herstellen kann. So verspürten wir ein Gefühl nicht unerheblicher Erleichterung, als das Paket mit den Prothesen 6 Tage später ankam. Zu unserer Überraschung hielten wir schließlich Beutel mit mehreren Prothesen unterschiedlicher Patienten in den Händen. Nun war munteres „Anprobieren“ angesagt. Aber die Patienten nahmen dies sehr gelassen und so wurde auch mal eben die nicht passende Prothese aus dem Mund flink dem Nachbarn auf dem Behandlungsstuhl nebenan zum Probieren gegeben. Unsere verdutzten Blicke wurden dann mit einem breiten Grinsen beantwortet. Letztendlich konnten wir alle Prothesen zuordnen und unseren Patienten ein neues Lächeln schenken.
Die nächste Station unseres Auslandseinsatzes war Fischat, oder auch San Leonardo de Laguna Escalante genannt. Diese kleine Siedlung liegt an der argentinischen Grenze und besteht aus einem Kloster und 188 Nivaclé-Familien in der Umgebung. Im Umkreis von 8 Stunden gibt es weit und breit nur Staub und Sträucher. Da der Weg dorthin kaum asphaltiert war, wurde die Fahrt zu einer Odyssee voller Staub und Schlaglöcher. Das mag auch der Grund dafür sein, warum dieser Ort nur einmal in der Woche von einem öffentlichen Bus angefahren wird.
In manchen abgelegenden Dörfern ist schon seit 5 Jahre kein Zahnarzt mehr gewesen. Dementsprechend lang gestaltete sich die Schlange der wartenden Patienten am ersten Arbeitstag. Auch hier arbeiteten wir die ersten Tage von Sonnenauf- bis  Sonnenuntergang. Wir waren zwar stets um Sauberkeit und Hygiene in unserem Behandlungsraum bemüht, doch war der Kampf gegen Staub kaum zu gewinnen. Auch gegen die Fliegen, die in den Nachmittagsstunden immer mehr wurden, kamen wir nicht an, was ein zeitgleiches Behandeln unmöglich machte, weil einem von uns beiden dann die Aufgabe zu kam, die Fliegen aus dem Mund bzw. den frischen Extraktionswunden wegzufächeln.  
Um einige Erfahrung aus Mariscal reicher, war nun ein relativ gut durchorganisiertes Arbeiten möglich. Immer wieder waren wir erstaunt, zum einen über den  eindeutigen Wunsch der  Patienten zu teilweise sehr großflächigen Reihenextraktionen und zum anderen über die hervorragende Wundheilung nach solchen Eingriffen.  Wir wollten so wenig Patienten wie möglich vertrösten, insbesondere dann nicht, wenn diese einen 3-stündigen Fußmarsch zurückgelegt hatten, um zu uns in die Behandlung zu kommen. Das waren dann unter anderem Momente, in denen wir sehr beeindruckt waren, wie sich Mundpropaganda selbst in diesen entlegensten  Regionen verbreitet.
Am letzten Tag säuberten und verpackten wir die gesamte Ausrüstung, vervollständigten unsere Patientenlisten und versuchten so dem möglichen Nachfolger alles für einen gelungenen Arbeitsantritt zu ebnen. An dieser Stelle wollen wir auch nochmal die Schwestern der Mission Fischat und Mariscal loben, die uns immer mit Eifer und guten Ideen unterstützen. Trotz der spärlichen Verhältnisse vor Ort ermöglichten sie uns auch in unserer Freizeit einen schönen Aufenthalt.

Das Projekt Chaco nahmen wir zum Anlaß, das Nützliche mit dem Angenehmen zu verbinden und es folgte eine entspannte Rucksackreise durch die schönsten Orte von Bolivien und Peru.

Wenn sie nun also auch ein leichtes Fernweh verspüren und dieses gleichzeitig mit einer einzigartigen beruflichen Erfahrung verbinden möchten, dann schreiben Sie uns. Wir informieren Sie gerne über das Projekt Chaco.
Wer diesen weiten Weg bis nach Südamerika scheut, aber dennoch den Ureinwohnern dort helfen möchte, der kann dies mit einer Spende tun. Diese gehen unter der Aufsicht von Dr. Amelunxen direkt an das Projekt Chaco und tragen dazu bei, für die kommenden Jahre eine zahnärztliche Versorgung  der einheimischen Bevölkerung Paraguays zu ermöglichen.
Wir bedanken uns bei allen Mitwirkenden und besonders bei Dr. Amelunxen für dieses ganz persönliche Abenteuer und hoffen, dass noch viele Kollegen die Zeit und den Mut finden, es uns gleich zu tun. Vielleicht sieht man sich ja dann, denn auch wir wollen wieder zurück in den Chaco.